Jede Stadt hat ihre eigene „Brandgeschichte“. So brannte im Jahre 64 nach Christus Rom (ein gewisser Nero war der Brandstifter), 1227 München und 1666 wurden in London 10.000 Häuser zerstört. Die Städte reagierten. Die ersten Bauordnungen wurden als Brandschutzmaßnahme erlassen, leicht brennbare Dächer verboten, Ledereimer für jeden Haushalt zu Pflicht. Auch Menden hatte drei große Brände zu überstehen: 1637, 1652, 1653, und 1663 sind als große Stadtbrände überliefert.
Und da die Not erfinderisch macht, musste auch in Lendringsen ein Schadenfeuer erst wüten, bis die erste Feuerwehr in der Gemeinde gegründet wurde. Im Winter 1908/1909 zerstörte ein Brand einen Lagerraum der Firma Eisenwerk Rödinghausen nahezu vollständig. Der Inhaber der Firma, Karl Becker, gründete daher am 01. Juli 1909 eine Werkfeuerwehr, die auch den Brandschutz für die damalige Gemeinde Böingsen (jetzt Lendringsen) übernahm. Bis dahin bestand lediglich eine Pflichtfeuerwehr. Leiter der Werkfeuerwehr wurde der Oberbrandmeister Richard Daub. Sein Stellvertreter war der Brandmeister Karl Liefländer, als Spritzenführer fungierte Guido Sprick, Steigerführer war Anton Braukmann, der später auch als Brandmeister sich engagierte. Die Ausbildung übernahm der Leiter der Feuerwehr Menden, Stadtbrandmeister Anton Salomon.
Die damalige Wehr bestand aus Steigern, Spritzenmänner, Sanitätsgruppe und Musikabteilung. Letztere war gleichzeitig Ordnungsdienst. Steiger und Spritzenmänner waren Eduard Zander, Heinrich Oelenberg, Franz Rüsch, Fritz Niebecker, Josef Oelenberg, Kaspar Schulte, Eberhard Behme, Johann Honert, Heinrich Weingarten, Theo Trippe, Heinrich Rüth, Anton Niebecker und Kaspar Hering.
Leiter der Sanität war Ludwig Hildenstab mit den Sanitätern Richard Bittner, Heinrich Weische und Ernst Schröer. Der Musikabteilung gehörten an: Wilhelm Neuhaus (Kapellmeister), Wilhelm Paul, August Rinsche, Theodor Oelenberg, Wilhelm Ebel, Georg Schrick, Otto Rehage, Karl Überall, Josef Neuhaus und Franz Rademacher. Fahrer der jungen Wehr war Franz Müller sen.
Die Alarmierung erfolgte über Glockengeläut und Signalhörner. In späteren Jahren dröhnte eine Sirene vom Eisenwerk Rödinghausen. Die Ausrüstung bestand aus einer Handdruckspritze für Hand- und Pferdezug mit Saug- und Druckschläuchen, Leitern, Einreißhaken, Äxten, Leinen und Laternen. Die persönliche Schutzausrüstung umfasste Rock mit Gürtel oder einen Steigergurt, Lederhelm und ein Beil. Abgesehen von den Kunstfasern der heutigen Zeit unterschied sich die Ausrüstung also im Wesentlichen zu der, die heute noch verwandt wird.
Das erste Feuer bekämpften die junge Feuerwehr am alten Bettermann’schen Haus in Hüingsen. Bei der Brandbekämpfung entwickelte sich ein Streit zwischen der Wehr und Zivilisten, in dessen Verlauf sogar ein Schlauch zerschnitten wurde. Auch beim nächsten Einsatz, einem Waldbrand bei Schmücker in Böingsen musste die Behörde wegen Komplikationen einschreiten. Beim Freiherrn von Dücker am Böingser Ufer wurde gelöscht, am Sonnenschein sowie beim Haus Lange in der Rindslar. Der erste Weltkrieg ging nicht spurlos an der Wehr vorbei. Zahlreiche Kameraden wurden eingezogen. 1919 wurde Franz Mürmann als Oberbrandmeister Wehrführer. Am 15. August 1921 wurde die Möbelschreinerei Firma Otto Estner vollständig vom Feuer zerstört. Die Wehr war auch hier vor Ort.
Der Fabrikant und Gründer der Wehr Karl Becker verstarb am 30.08.1921. Seine Söhne Max Becker und Paul Becker setzten sein Engagement im Feuerwehrwesen fort. Die beiden Herren entschlossen sich dann 1924 die gesamte Ausrüstung der Gemeinde Böingsen zu schenken. Nun wurde aus der Werkfeuerwehr die Freiwillige Feuerwehr, wie sie heute noch bekannt ist. Nun traten auch Männer der Wehr bei, die nicht Arbeiter im Eisenwerk waren.
Zunächst bezog die Wehr eine kleines Spritzenhaus in der Nähe des Hofes Schulte-Hense (heute Einkaufsmarkt im Bereich Hauptstraße / Salzweg). Im Jahr 1928 erhielt die Truppe die Schützenküche auf dem damaligen Schützenplatz als Gerätehaus, in Eigenarbeit wurde ein Steigerturm errichtet. Nicht nur heute wird die Kameradschaft zu den Nachbarwehren gepflegt. Die Chroniken berichten von zahlreichen Besuchen bei anderen Feuerwehren. Seit 1928 wurde auch beschlossen, pro Stunde einen Verdienstausfall von 1,50 Reichsmark zu zahlen.
1929 war zwar das Jahr der Weltwirtschaftskrise und auch die Wehr konnte nur kleine Anschaffungen machen, aber es wurde am 03. und 04. August das 20-jährige Bestehen gefeiert. Dabei wurde durch den Vertreter des Landrates, Regierungs-Assessor von Pfulstein die Fahne als Symbol der Gemeinschaft, Beständigkeit an Oberbrandmeister Mürmann übergeben. Die Fahne ging im 2. Weltkrieg verloren.
Am 10. Juli 1930 trat der Musikverein Lendringsen aus der Wehr aus und machte sich selbstständig. Daraufhin wurde ein Trommlerkorps gegründet. Im selben Jahr wurde am 07. August die Werkfeuerwehr der Rheinisch Westfälischen Kalkwerke in einer Stärke von 30 Mann gegründet und der Lendringser Wehr unterstellt. 1930 hatte die Feuerwehr Lendringsen 78 Mitglieder. Nach dem Besuch der 1. Preußischen Feuerwehrtagung durch die Herren Mürmann und Haarmann berichteten diese von den neu eingeführten Gruß „Gut Wehr“. Damit wurde der alte Ausspruch „Nach dem Fest nach altem Brauch, folgt ein fröhliches Gut Schlauch“ abgelöst…
1933 wurde sogar eine Zweiradleiter mit 14m Steighöhe in Lendringsen stationiert. Es war das Jahr in dem 6 Millionen Arbeitslose ein nahezu bankrottes Deutschland sahen, Reichspräsident Paul von Hindenburg berief Adolf Hitler zum Reichskanzler. Die Wehr betraf dies zunächst nicht. Doch seit dem 08. November 1933 musste OBM Mürmann hinnehmen, dass durch Führerbefehl und Grundgesetz des Verbandes der Freiwilligen Feuerwehr der Provinz Westfalen der Deutsche Gruß Pflicht sei. Am 07. Dezember wurde die Ehrenabteilung geründet. Am 21. Februar ging aufgrund des Gesetzes über das Feuerlöschwesen die Freiwillige Feuerwehr Böingsen in der Freiwilligen Feuerwehr für den Ortspolizeibezirk Amt Menden auf.
Eine außerordentliche Versammlung am 06. Juni 1934 beschloss zwei Halbzüge in Lendringsen zu Gründen (Grundlage der heutigen Gruppengliederung). Die Führung des 1. Zuges übernahm BM Liefländer, die der 2. Zuges BM Braukmann. Die Oberfeuerwehrmänner wurden nicht bestimmt, sondern mussten ihr Können bei der nächsten Übung beweisen. Nacheinander musste jeder an die Front, um zu kommandieren. Die alte Spritze ersetzte 1936 ein gebrauchter Mannschaftswagen der Marke „Brennabor“ mit Saug-Druckspritze. Die weitere Ausrüstung konnte nur durch Spenden beschafft werden. Gerade rechtzeitig kam das Fahrzeug, brannte doch am 14. August 1937 in einem Großbrand das Holz- und Sägewerk Radenbach.
Um die Löschwasserversorgung zu verbessern – eine Erfahrung aus dem Brand bei Radenbach -, kam Ende 1937 eine Tragkraftspritze TS 8/8 nach Lendringsen. 1938 betraute man Oskar Schweinefleisch mit der Führung des Löschzuges. Am 23. November wurde das „Reichsfeuerlöschgesetz“ erlassen, dass die „Schaffung einer streng organisierten, vom Führerprinzip geleiteten, reichseinheitlich gestalteten, von geschulten Kräften geführte Polizeitruppe unter staatlicher Aufsicht“ anordnete. Es entstand eine Hilfspolizeitruppe.
Der 2. Weltkrieg forderte seinen Tribut. Mehrere Kameraden wurden zu den Waffen gerufen, die entstandenen Lücken durch Hilfskräfte geschlossen. Zudem kam die Ausbildung des Reichsluftschutzbundes hinzu. 1939 drehte sich das Personalkarussell: Karl Mürmann wurde Kreisbrandmeister, OBM Oskar Schweinefleisch Amtsbrandmeister für das Amt Menden und Josef Braukhaus als Löschzugführer Oberbrandmeister. Die Alarmierung erfolgt nun über eine Sirene auf der Grinsbergschule. Das Ende 1942 gelieferte LF 15 diente nicht nur für Luftschutzwachen. Hiermit musste die Wehr mehrfach zum Einsatz in die bombardierten und schwer getroffenen Städte Wuppertal, Hamm, Schwerte, Hagen, Dortmund, Bochum und sogar bis nach Köln, um zu retten und zu helfen. Eine dunkle Zeit. Insbesondere nach der Möhnekatastrophe im Mai 1943 kam die Wehr an mehreren Tagen zur Rettung von Mensch und Tier und zu Aufräumarbeiten zum Einsatz. Im Frühjahr bildete die Wehr weibliche Hilfskräfte aus und 18 Damen schützten den Heimatort, als die Wehrmänner überörtliche Hilfe leisten mussten. Zum Ende dieser Zeit des Wahnsinns fehlten sechs Kameraden. Es fielen Karl Schneider, Josef Semer, Willi Schlünder, Alois Schlünder, Paul Oelenberg sowie Ferdinand Dederich.
Während der britischen Besatzung blieb die Wehr bestehen. Die Uniformen durften nach kleinen Änderungen weiterhin getragen werden. Das Hakenkreuz hatte zum Glück ausgedient. Hauptbrandmeister Mürmann betonte auf der Generalversammlung am 18. Januar 1947, dass als Rangbezeichnung der Dienstrang und nicht die Dienststellung gelte.
Kamerad | Dienstrang | Dienststellung |
Braukhaus | Brandmeister | Örtlicher Feuerwehrkommandant |
Schweinefleisch | Oberbrandmeister | Amtsfeuerwehrkommandant |
Mürmann | Hauptbrandmeister | Stellvertretender Kreisinspekteur |
Schmidt | Hauptbrandmeister | Kreisinspekteur |
Linnepe | Brandrat | Bezirksinspekteur |
Blecke | Brandrat | Abschnittinspekteur |
Auch die Neuordnung nach dem Kriege betraf das Feuerwehrwesen. Am 02. Juni 1948 verabschiedete der Landtag das „Gesetz über den Feuerschutz im Lande Nordrhein-Westfalen“. Dank der wachsenden Finanzkraft des Landes und vor allem der Gemeinde wurde die Wehr wieder aufgerüstet. Beim 40. Gründungsfest 1949 stand das neue LF 8 TS im Mittelpunkt als erstes Geschenk der Gemeinde. In Verbindung mit dem Amtsfeuerwehrappel konnte das Jubiläum zum 40. Bestehen am 20. und 21. August würdig begangen werden. Das erweiterte Gerätehaus mit dem massiven Steigerturm wurde an diesem Ehrentage übergeben.
Die 50’er Jahre prägte die Wehr durch Großbrände. Am 10. 09.1953 brannte der Hof Schulte-Steinhausen, am 21. Mai 1956 zu Pfingsten die Kistenfabrik Schulte. Bei einem Großbrand am 03. August desselben Jahres raubten die Flammen in Böingsen das Anwesen Wortmann / Kirchhoff. Am 13. September barst der Damm eines Schlammteiches und löste die Schlammkatastrophe in Oberrödinghausen und Lendringsen aus. Bis zur heutigen Straße nach Hüingsen ergoss sich aus dem Hönnetal der Schlamm. Drei Tage waren die Kameraden pausenlos im Einsatz.
Am 01. Mai 1957 erhielt Ehrenmitglied und Förderer der Wehr, Max Becker, das Feuerwehr-Ehrenzeichen in Silber des Landesfeuerwehrverbandes. Er sollte nicht der einzige Träger dieser hohen Auszeichnung in Lendringsen bleiben.
Die im 2. Weltkrieg abhanden gekommene Fahne ersetzte die Fahne der Amtswehr Menden am 21. Juni 1958. Diese Fahne wurde zu treuen Händen dem Löschzug Lendringsen als größtem Löschzug im Amtsverband überlassen. Sie ist noch heute die Fahne der Lendringser Florians jünger. Das 50-jährige Bestehen wurde mit einem dreitägigen Fest vom 29. bis 31. Mai 1959 gefeiert. Zahlreiche Vereine und die Bevölkerung feierten ein Fest mit Kommers und Zapfenstreich in einem eigens dafür aufgebauten Festzelt.